Sanierung in Schmidtstraße wird teurer und dauert länger. Umweltminister inspiziert Baustelle
Ingo Eckardt
Greiz. Langsam nimmt das Pilotprojekt einer seriellen energetischen Sanierung eines Mietshauses in der Schmidtstraße 12/14 in Greiz Formen an. Seit vergangener Woche (die OTZ berichtete) läuft die Montage der industriell vorgefertigten Module, die vor die bestehende Fassade geblendet werden.
Das Gebäude gehört der Wohnungsgenossenschaft (WG) Textil. Deren Vorstandschefin Kati Stein begrüßte am Mittwoch zu einer Präsentation neben Thüringen neuen grünen Umwelt- und Energieminister Bernhard Stengele rund drei Dutzend Gäste darunter auch viele Kollegen aus Thüringer Wohnungsbauunternehmen.
Zeitschiene nicht realisierbar
Im April vergangenen Jahres wurde das Projekt vorgestellt. Neben der inhaltlichen Innovation mit den vorgefertigten Fassadenelementen beeindruckte damals die anvisierte Bauzeit von nur neun Monaten, statt der üblichen zwei Jahre. Mittlerweile hat sich diese Planung überholt. „Wir gehen davon aus, im frühen Herbst können die neuen Mieter in ihre Wohnungen einziehen", sagt Kati Stein. Der Hintergrund der verlängerten Bauzeit: Der Planungs- und Abstimmungsprozess hat deutlich langer gedauert, als vorgesehen.
Bernhard Stengele zeigte sich dennoch überzeugt, dass man auf Schnelligkeit setzen müsse: „Wir haben wenig Zeit, um unsere Klimaziele zu erreichen." Noch 2021 seien 38 Prozent aller Thüringer Wohnungen gasbeheizt gewesen. „Wir wollen unabhängig von fossilen Brennstoffen werden, die hier sanierten 16 Wohnungen in Greiz lassen sich auf tausende Thüringer und ostdeutsche Häuser übertragen“, so Stengele.
Das Haus werde am Ende dank Wärmepumpe und 61 kW-Photovoltaikanlage mehr Energie erzeugen, als die Mieter verbrauchen, was sich in extrem niedrigen Nebenkosten niederschlagen dürfte. Stengele bezeichnete die Dämmung als vollständig nachhaltig, was sicher nur teilweise korrekt ist, denn die Außenhaut der Elemente sind aus Zementfaserplatten gefertigt, weil diese witterungsbeständiger als Lärchen- oder Douglasien Holz und weniger pflegeaufwendig sind, wie Emanuel Heisenberg, Chef des bauausführenden Start-Ups „ecowork" erklärte.
Pilotcharakter ist fraglich
Frank Emrich vom Verband der Thüringer Wohnungswirtschaft sieht in dem Pilotprojekt durchaus Multiplikationsmöglichkeiten. Rund 800 unsanierte Häuser wie in der Schmidtstraße Greiz könnte man in Thüringen so sanieren. Legt man die derzeitigen Kosten (derzeit rechnet man mit 3,9 Millionen Euro) zugrunde, wären weit über drei Milliarden Euro nötig, die von den Wohnungsbauunternehmen allein unmöglich geschultert werden könnten.
Hier sei in erster Linie die Politik gefragt, die derzeit ständig die Spielregeln verändere, kritisierte Emrich.
Emanuel Heisenberg rechnet damit, dass die Bezahlbarkeit sich verbessern würde, wenn die Fertigung auch vor Ort in Thüringen erfolgen könnte. Derzeit werden die Fassadenelemente per Lkw vom rund 700 Mitarbeiter starken Familienunternehmen Brüninghooff in Nordrhein-Westfalen angeliefert. Die Fassadenteile sind in Holzrahmenbauweise produziert und mit Zellulose gedämmt. Direkt an der Fassade liegt aus Brandschutzgründen eine nicht brennbare Dämmschicht aus Glaswolle an.
Meine Meinung OTZ 09.03.2023